Präsentation: Ahmed Umar, Norwegen

Wahrscheinlich am tiefsten war ich von diesem jungen Mann beeindruckt.

Ahmed Umar auf Instagram

Ahmed Umar auf Instagram

Er hat seinen Beitrag gut vorbereitet. Seine Stimme ist ruhig und fest. Der Blick gerade und offen. Er legt sein ganzes Inneres in die wenigen Minuten der Erklärung seines Werkes. Sich selbst bezeichnet er als den Ersten Homosexuellen Mann des Sudans. In dem Land seiner Herkunft herrscht bis zum heutigen Tag Todesstrafe, wie er sagt- zumindest- durch Köpfen, wenn jemand nicht konform heterosexuell ist.

Seit er sich geoutet hat und nach Norwegen ausgewandert ist, stellt er sich diesen Konfrontationen, die sein Leben und seine Identität infrage stellen. In den Sozialen Medien bekommt er immer noch fast täglich Morddrohungen. Es ist erschütternd, wie expressiv er seinen Reaktionen auf derartige Gewalt reagiert.

installation; “if you no longer have a family, make your own with clay”

installation; “if you no longer have a family, make your own with clay”

Diese Arbeit ist ebenfalls einige Überlegungen wert. Ahmed Umar beschreibt hier ebenfalls seine Reaktion auf den Umgang mit der Verurteilung durch Staat und Familie. Keine Spur von Hass. Seine Antwort ist Schönheit, Form, taktile Oberflüche, Handwerkliches Wissen.

Er endet mit den Worten: “Tut es niemandem an, dass er euch in Ton formen muss!”

Man kann sagen, dass die Schwere der seelischen Verletzung in eine tonnenschwere Form übersetzt wird. Sie wird somit im wahrsten Sinn des Wortes fassbar gemacht, erfassbar für den Betrachter. Und entfaltet in ihm eine Macht, wie Worte allein sie nicht erreichen.

In einem Versuch, mit den Forderungen seiner männlichen Verwandten, Freunde, Bekannten gerecht zu werden, die seinen Tod wünschen, antwortet Ahmed Umar mit dieser Arbeit: Ein Sarkophag nach dem Vorbild der Nubischen Pharaonen, in den er sich hineinlegt.

Schon allein die Vorstellung an das Gefühl, dass dieser wunderschöne und friedvolle Mensch dabei haben musste, wenn er sich in den Sarkophag, den er für sich selbst aus Steingut an der Universität gebrannt hat, erfüllt mich mit Grauen. Das Sichtbarmachen von Worten anderer Menschen, ist an Klarheit nicht zu übertreffen!

Sicherlich stellt sich die Frage, ob bei seiner Performance die sehr genaue Erklärung seiner Absicht Bedeutung haben. Meiner Meinung nach ist es unabdingbar. Wer nicht weiss, dass er in realer Todesgefahr schwebt, kann so ein Bild nicht lesen! Aber auch : was ist der Wert eines Menschen? Was ist absurde Politik?

Ahmed Umar, “Solace in Clay”

Ahmed Umar, “Solace in Clay”

Gigantische Hörner, eingefallene Hüllen über einem Tonskelett, gebrannt und mit Ochsenblut Glasur glasiert- (einer Kupferglasur im Reduktionsbrand, das heisst unter Abschluss der Sauerstoffzuführung im Ofen). An sein Werk geschmiegt, darf die malträtierte Seele Frieden spüren. Ein warmer Körper einer stabilen Präsenz. Ein starker Schutz ist das Kunstwerk. Und es zwängt nicht ein, nimmt nicht die Freiheit, es ist einfach nur Trost

Bevor du Freundlichkeit als das Tiefste in dir erkennen kannst, musst du Leid als das andere Tiefste in dir erkennen. Du musst mit dem Leid aufwachen. Du musst mit ihm sprechen, bis deine Stimme den Anfang des Fadens erwischt, und du das ganze Ausmass des Tuchs erkennst. Dann macht nur noch Freundlichkeit Sinn. Nur Freundlichkeit, die dir die Schuhe bindet, und dich hinausschickt, um die Briefe zur Post zu bringen und Brot zu kaufen. Nur Freundlichkeit, die ihren Kopf erhebt über die Masse der Welt, um zu sagen, ich bin es, nach der du gesucht hast, und die dich dann überall hin begleitet, wie ein Schatten oder ein Freund.
— Caroline Mohel Yahim hat diesen Kommentar zu dem Blogartikel verfasst, Bern, November 2021